In­ter­na­ti­o­nal Con­fe­rence of Stu­dents of Sys­te­ma­tic Mu­si­co­lo­gy (Sys­Mus14)

London, 18.-20.09.2014

Von Laura Neumann, Berlin und Anna-Katharina R. Bauer, Oldenburg – 22.12.2014 | Bereits zum siebenten Mal trafen sich in diesem Jahr Master-Studierende, DoktorandInnen und AbsolventInnen der Musikwissenschaft sowie angrenzender Disziplinen zur internationalen Konferenzreihe SysMus. Gastgebendes Institut für SysMus14 war vom 18. bis 20. September die Music, Mind & Brain Group (MMB) des Goldsmiths College in London (http://www.gold.ac.uk/pg/msc-music-mind-brain/), das, wie die Veranstalter der letzten Jahre, auf höchst spezialisierte Weise mit den Fragestellungen der systematischen Musikwissenschaft verbunden ist: Am Fachbereich für Psychologie angesiedelt, werden hier gleichermaßen biologische wie kognitive Aspekte musikalischen Verhaltens untersucht und u.a. Arbeiten über musikalische Wahrnehmung, Emotionen und Fähigkeiten herausgegeben.

Dem entsprachen auch die unterschiedlichen methodischen Grundgedanken, welche durch die Hauptvorträge (Keynotes) repräsentiert wurden: Die von Kelly Jakubowski und ihrem Team ausgewählten Keynotes wurden von Prof. John Sloboda  (Guildhall School of Music & Drama, London) und Prof. Barbara Tillmann (Lyon Neuroscience Research Center) abgehalten. Prof. Sloboda rückte die wechselseitige Beziehung zwischen MusikerInnen und ihrem Publikum in den Fokus, um der Frage nachzugehen, welche Faktoren zu einem gelungenen Konzert führen, und wies damit auf die Wichtigkeit einer engeren Zusammenarbeit künstlerischer Institutionen mit MusikwissenschaftlerInnen hin. Demgegenüber präsentierte Prof. Tillmann ihre Arbeit zur Entstehung musikalischen Wissens und der neuronalen Basis musikalisch-semantischer Erwartungshaltungen. Damit wurden zwei sehr verschiedene Ansätze musikwissenschaftlicher Forschung fokussiert, die nicht zuletzt exemplarisch für die Vielfalt systematischer Musikwissenschaft stehen.

In acht Sitzungen wurden dann von Seiten der insgesamt 19 NachwuchsforscherInnen eigene Projekte zu beinahe sämtlichen Gebieten der Musiksystematik vorgestellt. Zunächst zeigte sich auf dem Gebiet der Rhythmus- und Tanzforschung ein Interesse an der gemeinsamen Erfahrung elektronischer Tanzmusik auf emotionaler und verkörperter Basis (Ragnhild Torvanger Solberg, Kristiansand) sowie an Parallelen zwischen rhythmischen Strukturen und Bewegung im afro-brasilianischen Samba und norwegischen Telespringar (Mari Romarheim Haugen, Oslo).

In der dritten Sitzung stand das Problem der musikalischen Performance im Vordergrund, dem sich Thais Fernandes (Belo Horizonte) mit Hilfe der Untersuchung von Kommunikationen zwischen Flötisten eines Ensembles näherte. Zudem konnte in einem Projekt der Unterschied zwischen Performances mit und ohne Partitur ermittelt werden (Leina Lu, Sydney), der sich in Video- und Audioaufnahmen mehrerer Pianisten zeigte, die dasselbe Werk auswendig oder mit Noten lernen sollten.

Ein wesentlich kleinteiligerer Ansatz wurde in der vierten Sitzung (Pitch & Tonality) vorgestellt, in der auf die Bedeutung des linken Gyrus supramarginalis (SMG) für das Memorieren von Tonhöhen (Nora Schaal, Düsseldorf) eingegangen wurde; indem hier auch die phonetischen Eigenschaften von gesprochenen Wörtern gespeichert werden, zeigt sich ein neuronaler Zusammenhang zwischen Musik und Sprache. In zwei Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass der linke SMG weniger in das Enkodieren von Tonhöhen als vielmehr in deren Speicherung involviert ist.

In einem darauf folgenden Workshop mit einem der Direktoren der MMB, Dr. Daniel Müllensiefen, wurden drei Testverfahren präsentiert, die Aussagen über wesentliche Eigenschaften einer Versuchsperson für musikwissenschaftliche Forschung zulassen. Anhand des Goldsmiths Musical Sophistication Index, des Short Test of Musical Preferences und der National Statistics Socio-Economic Classification konnten die Teilnehmer interessante Einblicke in wichtige Werkzeuge empirischer Forschung erlangen, die noch während des Workshops zum Einsatz kamen.

In einer weiteren Sitzung, die sich dem Thema der musikalischen Analyse widmete, standen die psychologische Wirkung der Wagner’schen Leitmotive (David Baker, London) sowie die Stabilität melodischer Formeln in niederländischen Volksliedern (Berit Janssen, Amsterdam) zur Debatte: Sowohl für das Verständnis narrativer Elemente des „Schwertmotivs“, das eng mit Wissen über Richard Wagner und Kenntnis des „Ring der Nibelungen“in Verbindung steht, als auch für die Wiederkehr von Schlussformeln in oral tradierten Musiken wurden dabei Erklärungen präsentiert, die auch, aber nicht ausschließlich in der musikalischen Struktur selbst begründet liegen.

Der Komplex um musikalische Emotionen wurde u.a. mit Vorträgen über die Funktionen trauriger Musik (Karim Weth, Graz/Bamberg) und psychophysiologischen Mitteln zur Messung von Gesichtsausdrücken während des Musikhörens (Finn Upham, New York) behandelt, die wiederum das breite Spektrum aktueller Musikforschung von qualitativen Ansätzen bis hin zu experimentellen Verfahren im Labor-Setting betonen.

Insgesamt zeigten sich, in der von SysMus inzwischen gewohnten professionellen und gleichzeitig herzlichen Umgebung, Tendenzen, die von der Akzeptanz musikalischer Wirkungen, Aussagen und Präferenzen als gegeben absehen und auf die Flexibilität der menschlichen Wahrnehmung verweisen, die mit einer Vielzahl selbstläufiger Prozesse verknüpft ist; außerdem konnte eine Neigung zu höchst kleinteiligen Ansätzen und spezialisierten Forschungsmethoden verzeichnet werden, welche die systematische Musikwissenschaft erneut als ein interdisziplinäres Fachgebiet mit vielfältigen Interessen repräsentiert. Vor dem Hintergrund eines durch MMB inspirierten neurologisch und kognitionswissenschaftlich interessierten Umfeldes erscheint es kaum notwendig, auf die betont naturwissenschaftliche Ausrichtung der diesjährigen SysMus-Konferenz hinzuweisen, die auch Teilnehmer nicht dezidiert musikwissenschaftlicher Herkunft einbezog. Die SysMus-Reihe wird im nächsten Jahr vom 17. bis 19. September am Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig fortgeführt. Weitere Informationen zur SysMus-Konferenzreihe können auf der Homepage eingesehen werden (https://sites.google.com/site/sysmusconference/home).