Klavierrollen im Katalog. Workshop zur Erschließung von Notenrollen für selbstspielende Klaviere
München, 06.-07.05.2013
Von Till Kordt-Dauner, München – 28.08.2013 | Das DFG-Projekt zur „Erschließung und Digitalisierung von Notenrollen für selbstspielende Klaviere" wird seit Januar 2013 am Deutschen Museum München von Silke Berdux und Rebecca Wolf durchgeführt. Insgesamt soll der rund 3.000 Notenrollen umfassende Bestand des Museums für die Online-Präsentation erschlossen, katalogisiert und digitalisiert werden. Zu diesem Zweck wird ein zukunftsfähiges und wissenschaftliches Standardverfahren zur Erschließung von Notenrollen entwickelt, das einerseits von den verschiedensten Einrichtungen zur Aufarbeitung von Notenrollenbeständen verwendet werden kann und andererseits dem Nutzer/der Nutzerin die Suche und den Umgang mit allen relevanten Daten der Notenrollen ermöglichen soll. In einem weiteren Arbeitsschritt werden die Notenrollen gescannt und die Digitalisate zur audiovisuellen Präsentation für das Internet aufbereitet.
Die Relevanz von Notenrollen ist kaum zu überschätzen. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreiteten Programmträger stellen heute eine wichtige Quelle für aufführungspraktische wie für medienhistorische Fragen dar. Im Bestand der Rollen des Deutschen Museums, welcher zu einem der größten Museumsbestände für Notenrollen in Deutschland zählt, befinden sich beispielsweise Originalaufnahmen von Claude Debussy, Edvard Grieg, Gustav Mahler und Richard Strauss, sowie eingespielte Rollen berühmter Pianisten und Pianistinnen wie Wilhelm Backhaus, Teresa Carreño, Vladimir Horowitz, Wanda Landowska, Yolanda Mérö und Artur Schnabel.
Silke Berdux und Rebecca Wolf haben dazu innerhalb des Pilotprojekts ein Standardverfahren zur Erschließung entwickelt, das auf dem Workshop vorgestellt und mit den eingeladenen Fachleuten diskutiert wurde. Die Gäste des Workshops waren: Gerhard Dangel (Augustinermuseum, Freiburg/Br.), Jürgen Diet (Bayerische Staatsbibliothek, München), Peter Donhauser (Technisches Museum, Wien), Martin Elste (Staatliches Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Christoph E. Hänggi (Musikautomatenmuseum, Seewen), Brigitte Heck (Badisches Landesmuseum, Karlsruhe), Kai Köpp (Hochschule der Künste, Bern), David Rumsey (Mitarbeiter im Projekt „Wie von Geisterhand", Bern), Ludwig Schletzbaum (Deutsches Museum, München) und Hans-W. Schmitz (Restaurator für Reproduktionsklaviere und Orchestrien, Stuttgart).
Das Ziel des Workshops bestand darin, das Verfahren auf seine Konsensfähigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Ein wesentlicher Aspekt des Standards ist neben der Normierung der Daten nach GND (Gemeinsame Normdatei), der Möglichkeit der eindeutigen Identifizierbarkeit der einzelnen Notenrollen, besonders die Praktikabilität des Systems. So soll der Standard möglichst alle relevanten Daten der Notenrollen objektiv und genau erfassen, gleichzeitig aber so verfasst sein, dass er keine monatelangen Einarbeitungsphasen durch Fachleute nötig macht, sondern die Erfassung grundlegender Daten auch für Laien möglich wäre.
Im Zuge des Workshops wurde ausführlich diskutiert, welche Informationen der Notenrollen im Rahmen einer standardisierten Grunderschließung zu erfassen sind und welche Daten erst in einem zweiten Schritt im Detail erschlossen werden sollen. Da es stark von den Kapazitäten einer Institution abhängt, in welchem Umfang Daten erschlossen werden können, wurde primär über die notwendigen Parameter einer Minimalerschließung gesprochen, die auch von Nichtspezialisten durchgeführt werden kann. Ausgehend von dieser Situation unterscheidet das Katalogisierungsschema streng zwischen Daten, die genau nach der Vorlage der Notenrollen übernommen werden und erschlossenen Daten.
Bei der Erfassung der Daten nach Vorlage sollte eine möglichst nüchterne Datenerfassung ohne gleichzeitige Dateninterpretation erfolgen, um damit die Fehlerquote gering zu halten, die durch vorschnelle Interpretation bzw. fehlendes Fachwissen steigt. Konkret wurde deshalb u.a. die vollständige und wörtliche Übernahme der Etikettenbeschriftungen der Notenrollen sowie die Aufnahme sekundärer Beschriftungen, wie Stempel oder handschriftlicher Eintragungen (für die eindeutige Identifizierung und die Provenienzforschung), beschlossen.
Zusätzlich werden einige der Informationen, die sich auf dem Etikett befinden, noch einmal gesondert aufgenommen, wie beispielsweise die Herstellerbezeichnung, die Rollennummer des Herstellers, der Komponist, falls vorhanden der Interpret, sowie Informationen über das Werk oder die Papierbreite der Notenrolle. Zur Grunderschließung gehört auch ein Foto des Etiketts der Rolle, auf dem i.d.R. die meisten Informationen abgedruckt sind.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Standards ist die Normierung der erfassten Daten, denn erst diese macht die angestrebte Einbindung in Onlineportale und Datenbanken wie BAM, Europeana oder ViFa sinnvoll. Demnach werden folgende Daten nach GND- Standard normiert: Personennamen, Körperschaften und Werktitel.
Diese im Rahmen der Grunderschließung gewonnen Daten dienen als Grundlage einer weiteren Auseinandersetzung mit den Notenrollen und darüberhinaus macht diese eine Tiefenerschließung weiterer Daten möglich. Anhand der erschlossenen Daten können dann weitere Forschungen angeschlossen werden, wie die eindeutige Identifizierung des Rollentyps, dessen Erschließung in einigen Fällen ohne dezidiertes Spezialwissen kaum möglich ist.
Im Zuge des Workshops wurden Kooperationen geschlossen, auf deren Grundlage weiter an Detailfragen zur Erschließung diskutiert und gearbeitet wird.