Das Leip­zi­ger Mu­sik­ver­lags­we­sen im in­ter­na­ti­o­na­len Kon­text

Leipzig, 20.-22.06.2013

Von Linda Escherich, Leipzig – 19.07.20213 | Vom 20. bis 22. Juni 2013 fand in Leipzig ein internationales und interdisziplinäres Symposium zum Leipziger Musikverlagswesen statt. Die von der DFG geförderte Tagung wurde von den Musikwissenschaftlern Stefan Keym und Peter Schmitz organisiert in Kooperation mit Thekla Kluttig und war somit das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Universität Leipzig, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Sächsischen Staatsarchiv – Staatsarchiv Leipzig. Sie verfolgte das Ziel, mit Hilfe von Fallstudien am Beispiel Leipzigs grundlegende Strukturaspekte, Wirkungsmechanismen und Entwicklungsprozesse des Musikverlagswesens aus einer breiten kulturgeschichtlichen Perspektive zu erörtern.

 

Den Auftakt bildete die Eröffnung der begleitenden Ausstellung Da ist Musik drin. Leipziger Musikverlage in Zeugnissen aus zwei Jahrhunderten im Staatsarchiv am 20. Juli. Nach der Begrüßung durch Volker Jäger (Leipzig), den Leiter des Archivs, gelang es dem Buchwissenschaftler Siegfried Lokatis (Leipzig), mit seinem Einführungsvortrag einen Eindruck des florierenden Verlagswesens in Leipzig vor dem Zweiten Weltkrieg zu geben und anschließend im Gespräch mit dem Verleger Klaus Gerhard Saur die schwierige Situation der Verlage zur Zeit der Teilung Deutschlands zu verdeutlichen. Thekla Kluttig, Leiterin der Abteilung Deutsche Zentralstelle für Genealogie/Sonderbestände des Staatsarchivs, stellte daraufhin die von ihr konzipierte Ausstellung vor. Mit dieser sollten die Vielfalt und Bedeutung des einzigartigen Archivbestandes abgebildet und verschiedene Aspekte der Verlagsarbeit vor Augen geführt werden. Im Zentrum standen Materialien der Verlagshäuser Breitkopf & Härtel, C. F. Peters sowie VEB Deutscher Verlag für Musik, deren Archivalien den Großteil des einzigartigen Bestandes ausmachen, der über 700 laufende Meter Material von Musikverlagen des deutschsprachigen Raums umfasst.
Das eigentliche Symposium wurde am 21. Juli im Staatsarchiv von Stefan Keym und Peter Schmitz eröffnet, die die herausragende Bedeutung der Verlage für die ‚Musikstadt Leipzig' (und umgekehrt) hervorhoben. Jürgen Heidrich (Münster) verglich in seinem Vortrag den Notendruck in Wittenberg und Leipzig im 16. Jahrhundert, wobei er Unterschiede der Produkte in Beziehung mit der zeitversetzten Einführung der Reformation in den beiden Städten brachte. Stephen Rose (London) machte am Beispiel Johann Hermann Scheins deutlich, dass gedruckte Musik zu Beginn des 17. Jahrhunderts oftmals einem symbolischen Zweck diente, aber dennoch – zumindest bis zum 30jährigen Krieg – auch lukrativ gewesen sein muss. Daraufhin ging Axel Beer (Mainz) auf die Entwicklung des Musikverlagswesens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und den damit einhergehenden Wandel verschiedener Druck- und Vervielfältigungstechniken von Musik ein. Rudolf Rasch (Utrecht) verschaffte an einigen Beispielen einen Eindruck davon, wieviel man im 18. Jahrhundert für Musikalien bezahlte.
Es folgte ein Beitrag von Hans-Günter Ottenberg (Dresden) über C. P. E. Bachs Tätigkeit als Selbstverleger und sein besonderes Verfahren der Pränumeration. Danach widmete sich Annette Oppermann (München) den Klassikerausgaben, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem von Leipzig aus in verschiedenen Formen, Qualitäten und zu unterschiedlichen Preisen verbreiteten. Luca Aversano (Rom) legte die ambivalente Beziehung zwischen Breitkopf & Härtel und dem Mailänder Verlag Ricordi dar und versuchte am Beispiel Rossini eine zunehmend nationalistisch-chauvinistische Tendenz des deutschen Verlages festzumachen. James Deaville (Ottawa) referierte über die Verlage der Musikschriften der Neudeutschen Schule in den 1850er Jahren.
Der letzte Abschnitt des Tages widmete sich dem Urheberrecht. Friedemann Kawohl (Villingen-Schwenningen) befasste sich mit ersten Versuchen, dem Nachdruck von Musikalien durch andere Verlage entgegenzuwirken, die schließlich 1829 zur Gründung des Vereins der Musikverleger gegen musikalischen Nachdruck in Leipzig führten. Daraufhin betrachtete der Rechtswissenschaftler Bernd-Rüdiger Kern (Leipzig) die Entwicklung des Musikurheberrechts im internationalen Vergleich, während Janine Wolf (Leipzig), ebenfalls Juristin, die Umsetzung der Rechtslage am Beispiel Carl Maria von Webers aufzeigte. Die drei Vorträge machten deutlich, dass es bis 1829 in der Regel um den (finanziellen) Schutz der Verleger, nicht der Autoren ging und die Idee des ‚geistigen Eigentums' erst später aufkam.

Den letzten Tag des Symposiums eröffnete Stefan Keym im Institut für Musikwissenschaft mit einem Referat über die Internationalisierung des Erstdruck-Repertoires symphonischer Werke in Leipziger Verlagen von 1835 bis 1914. Peter Schmitz zeigte anhand der Verlagsgutachten des Gewandhaus-Kapellmeisters Carl Reinecke sowie der Aktivitäten Oskar von Hases (Breitkopf & Härtel) im Allgemeinen Deutschen Musikverein die Bedeutung von institutionellen Vernetzungen für Musikverlage auf. Am Beispiel von Kurt Eulenburg konnte Sophie Fetthauer (Hamburg) das Prinzip der ‚Arisierung' und seine verheerenden Folgen für viele Musikverleger jüdischer Herkunft zur Zeit des Nationalsozialismus deutlich machen. Julian Heigel (Berlin) beschäftigte sich mit dem VEB Deutscher Verlag für Musik und seiner Rolle in der DDR. Zum Abschluss umriss der Medienwissenschaftler Christian Baierle (Hamburg) den aktuellen Stand sowie Probleme des Urheberrechts im Rahmen der Globalisierung und der ‚neuen Medien' und skizzierte Zukunftstrends des Musikverlagswesens.
Insgesamt gelang es der gut besuchten Tagung, einen Einblick in die Vielfalt der Forschungsbereiche zum Thema zu geben und offene Fragen aufzuzeigen, die es in Zukunft zu beantworten gilt. Eine Publikation der Beiträge, die auch einen Anhang mit Abbildungen von Objekten der Ausstellung enthalten soll, ist geplant.