"Music Documentation in Libraries, Scholarship, and Practice"
Mainz, 04.-06.06.2012
Von Jonathan Gammert und Fabian Kolb, Mainz – 17.10.2012 | Anlässlich des 60. Geburtstags des Répertoire International des Sources Musicales fanden sich vom 04. bis 06. Juni zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Musikwissenschaft und des musikspezifischen Bibliothekswesens in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz zu einer – im Wortsinne – internationalen Tagung ein. Dass sich derart viele Länderrepräsentanten aus nahezu allen Kontinenten zusammenfanden, um über gegenwärtige Entwicklungen und die Zukunft des ambitionierten Erschließungsprojektes zu berichten und zu diskutieren, scheint in der Tat gleichermaßen selten wie erfreulich.
Wie sehr sich dabei die Mainzer Akademie als Veranstaltungsort des internationalen Treffens anbot, hob Gernot Wilhelm, Vizepräsident der Akademie, in seiner Begrüßung hervor, indem er auf das breite Engagement seiner Institution verwies. Die Johannes Gutenberg-Universität, zusammen mit ihrem Forschungsschwerpunkt „Historische Kulturwissenschaften" Kofinanziererin der Tagung, wurde durch ihren Vizepräsidenten Ulrich Förstermann vertreten, der die ideelle Nähe von RISM und JGU hervorhob.
Im Zentrum der Eröffnungssektion, welche musikalisch durch das Trio Pleyel umrahmt wurde, stand das Grußwort von Christoph Wolff, dem Präsidenten der RISM Commission Mixte. Indem er an Herausforderungen und Erfolge der jüngeren Vergangenheit erinnerte und den Blick davon ausgehend in die Zukunft richtete, setzte er einen Rahmen für das Themenspektrum der folgenden drei Tage. Aus der jeweiligen Perspektive ihrer Institutionen taten dies auch die Grußworte von Roger Flury (International Association of Music Libraries, Archives and Documentation Centres) und Tilmann Seebaß (International Musicological Society), stellvertretend vorgetragen von Massimo Gentili-Tedeschi und Catherine Massip, die die vier sogenannten R-Projekte der Musikwissenschaft als großen ideellen, fundamentalen Verbund würdigten und an die Gründungsidee von RISM in Anschluss an Robert Eitner erinnerten.
Der vorliegende Bericht fasst eine Vielzahl von Referaten zusammen, von denen ein großer Teil Forschungs-, Erfassungs- und Digitalisierungs-Projekte vorstellte, andere wiederum Erfassungs- und EDV-Standards thematisierten, Berichte über Aktivitäten aus einer beeindruckenden Vielzahl an Ländern vorlegten bzw. Möglichkeiten der wissenschaftlichen Methodik diskutierten. Um die Auflistung leserfreundlich zu gestalten, sind die einzelnen Beiträge hier nicht chronologisch nach dem Tagungsprogramm, sondern primär thematisch sortiert. Sie werden anhand inhaltlicher Schwerpunksetzung der Referenten gegliedert (wobei in zahlreichen Fällen sicherlich Mehrfachzuordnungen denkbar gewesen wären und hier also lediglich eine mögliche Lesart präsentiert wird). Darüber hinaus wurde versucht, für möglichst viele der Referatsthemen Verlinkungen zu den entsprechenden Web-Auftritten einzufügen, um so die Möglichkeit zu bieten, bei Interesse auf unkomplizierte Art und Weise weitere Informationen einzuholen. Nicht zuletzt sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass mittlerweile ein Großteil der Paper auch online einzusehen ist.
Ein großer Teil der Referentinnen und Referenten rückte weniger einzelne Projekte in den Fokus, sondern lieferte ganz im Wortsinne der Ländergruppenberichte stärker zusammenfassende und Überblick verschaffende Beiträge über Aktivitäten in verschiedenen Ländern. So resümierte Mattias Lundberg (University of Uppsala) Grundtendenzen der schwedischen RISM-Geschichte und ging näher auf die drei Projekte Music in Tablature, Düben Collection Database und Swedish Musical Heritage Project ein, wobei Fragen nach Vernetzbarkeit einen perspektivischen Fluchtpunkt bildeten. Laurence Decobert (RISM Frankreich) lieferte unter dem Titel „Le portail RISM France: contenu et perspective" einen Bericht über die Bestrebungen der Zusammenführung verschiedener gedruckter und EDV-gestützter Kataloge in Frankreich, wohingegen sich Antonio Ezquerro Esteban (RISM Spanien) auf einen ausholenden historischen Abriss der Erfassung musikalischer Quellen in Spanien beschränkte. Heidi Heinmaa (National Library of Estonia) bekundete ihr Bestreben, eine RISM-Gruppe Estland aufzubauen, und untermauerte die Notwendigkeit hierzu mit einem – durch die Präsentation einiger RARA und besonderer Quellenfunde, anhand derer sie unter anderem den großen deutschen Einfluss auf die baltische Musikgeschichte darlegte, eindrucksvoll dokumentierten – Überblick über die Überlieferungssituation in ihrem Land. Während Stanislav Oustachev (Glinka-Museum, Moskau) einen Einblick in das derzeit in der Vorbereitungs- und Planungsphase befindliche RISM-Projekt am Glinka-Museum in Moskau gab, fasste Emilia Rassina (RISM Russland) die Geschichte der RISM-Arbeiten an russischen Universitäten und Hochschulen zusammen. Annemarie Bösch-Niederer (RISM Österreich-Vorarlberg) steuerte mit ihrem Referat ein Beispiel dafür bei, welche Relevanz gerade die regionale Forschung für große internationale Projekte wie RISM haben kann. Sie befasste sich mit der Klosterlandschaft in Vorarlberg, deren zahlreich überlieferte Quellen einen Einblick in eine überregionale Kommunikationsstruktur geben. Hildegard Herrmann-Schneider (RISM Tirol-Südtirol, OFM Austria) ging, indem sie an die nicht hoch genug zu veranschlagende Bedeutung Robert Eitners für die Musikbibliographie erinnerte, der unverändert aktuellen Bedeutung des als Titel gewählten Zitates „Die Musikbibliographie ist die Grundlage alles historischen Wissens" nach und präsentierte einige Beispiele der jüngeren Mozartforschung. Cheryl Martin (RISM Kanada) plädierte im Anschluss an einen Überblick über die in Kanada befindlichen, in der jüngeren Vergangenheit bei RISM verzeichneten Musikalien entschieden dafür, weitere kanadische Quellenkonvolute in RISM aufzunehmen.
Während es in dem Bericht von Sarah Adams (RISM USA) um die Komplettierung der Erfassungsarbeiten in den USA ging, wozu nur noch einige Sammlungen (Princeton University, Lilly Library, Indiana etc.) erfasst werden müssen, um gleichsam letzte Lücken zu schließen, sei hier zum Abschluss noch auf drei Beiträge besonders hingewiesen, die spezifische Probleme in einigen Teilen der Welt thematisierten. So eröffnete Beatrize Magalhaes Castro (University of Brasilia) ihren Bericht mit einer kleinen Statistik über die Verteilung von RISM-Arbeitsgruppen auf der Weltkarte, welche ein erhebliches Ungleichgewicht zeigte, und thematisierte spezifische Probleme in Ländern Südamerikas. Der Report von Jaime Quevedo (Kolumbien) hingegen widmete sich der Dokumentation von musikalischer Praxis und Formen des Musizierens in Kolumbien, wobei dem Verzeichnen von Tondokumenten besondere Bedeutung zukommt. Lucija Konfic (RISM Kroatien) schließlich hob in ihrem Bericht – neben dem Verweis auf die nicht zu unterschätzenden technisch bedingten Schwierigkeiten, denen man sich in Kroatien noch immer gegenüber sehen muss – auf die in didaktischer wie quellendokumentatorischer Hinsicht gleichermaßen ergiebige Integration von an die universitäre Lehre angebundenen studentischen Erfassungsprojekte an RISM hervor.
Jenseits der länderspezifischen Überblicke bildete die Vorstellung einzelner Forschungs-, Digitalisierungs- und oder Erfassungsprojekte einen weiteren Schwerpunkt, wobei vielfach auch technische und methodische Belange diskutiert wurden. Sonja Tröster (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) wählte den klassischen Zugang eines Catalogue Raisonné als wichtiges Werkzeug zur Orientierung und dies gerade in einer Welt von digitalen Kollektionen in ständig wachsender Zahl. So bietet die Seite www.senflonline.com ein, die Printversion ergänzendes Werkverzeichnis in Form einer Online-Datenbank. Klaus Pietschmann (Universität Mainz) und Christiane Wiesenfeld (Universität Hamburg) stellten die Messdatenbank MDB (MassDataBase) vor, die derzeit auf Grundlage des Messen-Verzeichnisses von Peter und Verena Schellert am Musikwissenschaftlichen Institut in Mainz entsteht und zwischenzeitlich online verfügbar ist. Teresa M. Gialdroni (Università di Roma – Tor Vergata) präsentierte mit dem Archivio della cantata italiana Clori ein weiteres Beispiel eines Datenbank-Projekts zu einer bestimmten Gattung, wobei der Vortrag auch Schwierigkeiten der Gattungs-Definition thematisierte. Catherine Ferris (RISM Irland) berichtete einerseits über das Katalogisierungs- und Digitalisierungs-Projekt Early Music Online, welches ca. 320 Anthologien gedruckter Musik des 16. Jahrhunderts erfasst, sowie andererseits von drei derzeit bestehenden Teilprojekten: Music in the Irish Countryhouse, Mercer's Hospital Part Books, Music in the National Library of Ireland – Projekte, die dazu bestimmt sind, die jeweils spezifischen Repertoires zu erfassen. Undine Wagner (RISM Deutschland) widmete sich einer bisher wenig beachteten Besonderheit des mitteldeutschen Raums, den Adjuvanten-Archiven, und hob anhand dessen die Wichtigkeit der Katalogisierung von handschriftlichen Quellen des 19. Jahrhunderts hervor. Stefan Ikarus Kaiser (Österreichische Akademie der Wissenschaften) gab einen Bericht über Erfassungsarbeiten am Stift Wilhering bei Linz, hier geht es neben der Vervollständigung der Quellenerfassung derzeit darum, die bestehenden Einträge zu konsolidieren und zu aktualisieren. Steffen Voss (RISM Deutschland) gab einen Überblick über das zwischenzeitlich abgeschlossene DFG-Projekt zum – vorwiegend unter dem Beinamen Schrank II-Sammlung bekannte – Instrumentalmusikrepertoire der Dresdner Hofkapelle, das zu einem großen Teil musikalische Quellen aus dem Nachlass des Konzertmeisters Georg Johann Piseldel enthält, darunter zahlreiche Abschriften, die dieser während seiner Reisen durch Europa anfertigte. Ludmila Sawicka (RISM Polen) berichtete über die Erfassung der alten Sammlung des musikalischen Instituts zu Breslau, die derzeit an der Universitätsbibliothek Warschau durchgeführt wird. Während Alina Mądry (RISM Polen) ein Projekt vorstellte, welches das an der Erzdiözese Poznan befindliche Repertoire der Kapelle an der Stiftskirche St. Maria Magdalena erfasst, verwies Klemen Grabnar (RISM Slowenien) – neben einem allgemeinen Bericht über die RISM-Aktivitäten in Slowenien – als besonderes Beispiel auf fünf, unlängst in RISM A/II eingepflegte Chorbücher aus dem Besitz des Prinzbischofs von Ljubljana Tomaz Hren, die um 1600 entstanden und einen interessanten Einblick in das Repertoire des Grazer Hofs geben. (Neben Werken großer italienischer und flämischer Meister enthalten sie auch Kompositionen zahlreicher Kleinmeister.) Hyun Kyung Chae (Music Research Institute , Ewha Womans University) befasste sich mit der besonderen Situation in Korea, China und Japan, mithin einer Region, in deren Kultur noch immer der starke Einfluss von Kolonialisierung und Christianisierung zu erkennen ist. Die Referentin befasste sich vor diesem Hintergrund mit einem pädagogisch-didaktischen Repertoire und seiner Überlieferung, sogenannte Schoolsongs, die häufig auf als Lehrer tätige Missionare zurückgehen. Aufgrund ihrer großen Verbreitung und Bekanntheit bis zum heutigen Tage handele es sich um einen spannenden Ansatzpunkt der kulturwissenschaftlichen Forschung. John G. Lazos (Mexico) konzentrierte sich auf zwei Punkte: Zum einen gab er einen Überblick über die Erforschung der liturgischen Musik in Mexiko und die Erfassungsarbeiten in Kathedral-Archiven; zum anderen ermöglichte er am Beispiel von José Antonio Gómez y Olguín einen exemplarischen Einblick in seine Forschungen zu einer eigenständigen nationalen Tradition. Christoph Meixner (Weimar), der das Thüringische Landesmusikarchiv an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar vorstellte, präsentierte diese in Deutschland bis dato einzigartige Institution unter dem Geschichtspunkt möglichen Modellcharakters.
Unter dem Sektionstitel „New Technological Methods and Approaches" bildeten Fragen technischer Art, bezogen auf Beschreibung, Erfassung, Darstellung und Auswertung von Quellen, einen zentralen thematischen Schwerpunkt. So rief Massimo Gentili-Tedeschi (URFM Italien) im Sinne eines Impulsreferats Stationen in der Entwicklung bibliographischer Standards zur Erfassung handschriftlicher Quellen in Erinnerung, stellte dabei die besondere Bedeutung von Musikmanuskripten heraus und mahnte eindringlich, die gegenwärtigen Diskussionen im Sinne von Musikbibliographie und Musikwissenschaft aufmerksam zu verfolgen, mitzugestalten und im Sinne einer allgemeinen Vorbildrolle entsprechende Anregungen zu geben.
Gleich eine ganze Reihe an Beiträgen befasste sich mit verschiedenen EDV- und Internet-Standards, einem Themenkomplex, der vor dem Hintergrund wachsender Bedeutung neuer Technologien besonders viel Diskussionsstoff bietet. Die Verfahrenstechniken und Standards von RISM wurden hierbei immer wieder als Referenzrahmen benannt, den es gleichermaßen auf hohem Niveau zu erhalten wie auch weiterzuentwickeln gelte. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde die Verwaltung von Metadaten wie beispielsweise Titeln in verschiedenen Sprachen, beteiligte Personen (z.B. Autoren oder Widmungsträger), Identifikationen über Opuszahlen, Werkverzeichnisnummern etc. sowie Daten zur Entstehungsgeschichte und zu den Quellen (Quellentyp, Provenienz, u.v.m.) beleuchtet. Niels Krabbe und Axel Teich Geertinger (Danish Center for Music Publication, Kopenhagen) präsentierten aus der Sicht von Entwickler und Anwender den im Umfeld von Carl Nielsen-Gesamtausgabe und -Werkverzeichnis entwickelten, XML-basierten Katalogisierungs-Standard MEI (Music Encoding Initiative) sowie die zugehörige Software MerMEId (Metadata Editor and Repository for MEI Data) – ein System für die Edition und Verwaltung von Metadaten. Laurent Pugin (RISM Schweiz) sprach sich in seinem Referat mit Hinblick auf die wachsende Zahl an Digitalisaten, die in RISM verlinkt sind, für die Verwendung von METS (Metadata Encoding and Transmission Standard) aus. Anne Graham (University of Washington) gab in ihrem Vortrag am Beispiel der Digitalisierungsprojekte der Online Collection der University of Washington Music Library Einblick in die Methoden zur Umwandlung der von RISM bereitgestellten Roh-Daten in Online-Metadaten.
Ein vielfach präsentes Thema waren auch aktuelle Entwicklungen zur Darstellung von Notentexten: Daniel Röwenstrunk (Detmold/Paderborn) sprach über Möglichkeiten der Vernetzung der beiden Plattformen RISM und Edirom, dem Projekt zur Entwicklung von Werkzeugen für digitale Formen wissenschaftlich-kritischer Musikeditionen. Am Ende des Referats rief er zur Verwendung von gängigen, allgemeinen und freien Standards auf und unterstrich damit die Wichtigkeit gerade auch dieses Themas. Jürgen Diet (Bayrische Staatsbibliothek München) wagte einige Ausblicke auf mögliche Weiterentwicklungen des RISM-OPAC und stellte in diesem Zusammenhang den PROBADO Score Viewer, eine Software zur Synchronisierung von Partitur und Audio-Dateien, sowie das Programm Peachnote vor, welches eingegebene Melodien und Akkorde in Datenkorpora sucht und deren Häufigkeit und Verteilung angibt – eine Anwendung auf Incipits in RISM wäre zukünftig denkbar. Peter Ackermann (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt) präsentierte eines der Projekte, die die wissenschaftliche Anwendung technologischer Möglichkeiten in den Fokus rückte. Das entstehende Palestrina-Werkverzeichnis soll digitale diplomatische Referenzpartituren sowie, in einem weiterem Arbeitsschritt, Abweichungen von denselben mitaufnehmen.
Franz Jürgen Götz (RISM Deutschland) sprach über Überschneidungen der Arbeitsbereiche von RISM und RId'IM. Andrea Hartmann (RISM Deutschland) berichtete über die Kooperation von RISM und der Sächsischen Universitäts- und Landesbibliothek, an der der RISM-OPAC zwischenzeitlich als alleiniger Online-Katalog verwendet wurde. Gleich zwei Referate zur Relevanz von Wasserzeichen brachten ein – wie auch mehrere Diskussionsbeiträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten zeigten – zentrales Thema zur Sprache. Eva Neumayr (RISM Salzburg) berichtete über Erfahrungen aus der Katalogisierung von Manuskripten aus dem Archiv der Erzdiözese Salzburg, bei der auch Wasserzeichen gesammelt und untersucht wurden und benannte dabei die Notwendigkeit ihrer Klassifikation und Recherchierbarkeit, während Emanuel Wenger (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) das Projekt Bernstein – the memory of paper vorstellte. Das Ziel dieses Portals ist die Zusammenführung europäischer Wasserzeichen-Datenbanken, wobei auch spezielle Tools für Datierung und Authentifizierung bereitgestellt werden.
Andere Referenten thematisierten neue methodische Zugänge in enger Verbindung mit aktuellen technischen Möglichkeiten. Helmut Loos (Universität Leipzig) äußerte grundsätzliche Überlegungen zu quantitativer Forschung und Massendaten-Auswertung anhand von Datensätzen wie RISM – immerhin eine in den Humanwissenschaften einzigartige Datengrundlage. Als mögliche Anwendung schlug er die Erhebung der Verbreitung von Werken bestimmter Komponisten durch Provenienz-Analyse vor. Als Form der Ergebnispräsentation wäre eine Darstellung, die der Idee des Atlas der deutschen Volkskunde folgt, möglich. Einen interessanten Ansatz stellte das Projekt Alignment-Based Melodic Similarity Measure dar, welches Peter van Kranenburg (Meertens Institute, Amsterdam) präsentierte und das auf die in RISM vorhandenen Incipits anwendbar wäre. Hierbei werden anhand verschiedener Parameter automatisch Ähnlichkeiten von Melodien bestimmt, eine Technologie deren Weiterentwicklung zu einem hilfreichen Werkzeug führen dürfte. Helmut Lauterwasser (RISM Deutschland) schließlich stellte sich unter dem Titel „On Disappearing in One Big Pot" der grundlegenden Frage nach dem wünschenswerten Erhalt von Quellen-Verbünden und propagierte die Möglichkeit virtueller Bibliotheken zur Zusammenführung von Beständen.
Die Tagung, während derer zusätzlich zu den Vorträgen auch ein Workshop für Studierende zur Recherche in RISM, ein Zweiter zur Einrichtung von Homepages für Ländergruppenvertreter und eine Informationsveranstaltung für die Presse stattfanden, machte einerseits deutlich, als wie vielgestaltig und gewinnbringend sich die musikbezogene Quellenerschließung auch 60 Jahre nach Gründung von RISM noch immer erweist; andererseits wurde ersichtlich, dass (gerade an den Schnittstellen von Musikwissenschaft und Bibliothekswesen) in vielen Punkten auch weiterhin erheblicher Diskussionsbedarf besteht. Diesen Austausch in Zukunft fortzuführen und zu intensivieren, bleibt erstrebenswert.