Die letz­ten Klän­ge. Zum kul­tu­rel­len Zu­sam­men­spiel von Tod und Mu­sik

Tagung des »Arbeitskreises Thanatologie«

Sektion »Wissenssoziologie« der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Breisgau)

Freiburg, 10.-11.11.2023

Deadline: 01.02.2023

organisiert von Thorsten Benkel und Michael Fischer

Die Verhältnisbestimmung zwischen Tod und Musik ist einfach und schwierig zugleich: In sämt­lichen musikalischen Gattungen und Genres sind zahl­lose Bezüge auf Sterben, Tod und Trauer zu finden. Warum das so ist, wird üblicherweise selten hinterfragt. Es gilt schlichtweg als kulturell etab­liert, dass der Tod, vergleichbar mit der Liebe, ein zentraler thematischer Be­zugspunkt von Musik ist. Die Tagung möchte dem Zusammenspiel beider Facetten anhand mu­sikalischer Bei­träge seit etwa 1945 Rechnung tragen.

Die kirchenmusikalische Gattung des Requiems galt, wiewohl häufig anlass- und mit­hin per­so­­nenbezogen, lange Zeit als geradezu trans­zen­dentale Ausdruckform (mit einer gleichwohl welt­lichen Aufführungspraxis). Die theologisch-liturgischen Vorgaben und formalen Aspekte die­ser ex­pli­ziten Trauer- und Todes­­musik sind jedoch im Laufe der Zeit hinterfragt worden. Sie haben For­maten Platz gemacht, die auch jenen, die nicht in einem christlichen Verständnis glauben, Trost und Hoffnung spenden. Entsprechend ausgeflaggten Musiken des Abschieds klin­­gen heute ganz anders und thema­ti­sie­ren ihr Sujet auf musikalisch wie auch kulturell anders­­lautende Weise – auch wenn sie noch als ›Requiem‹ tituliert werden (wie 1975 bei Schnitt­ke, 1993 bei Henze und bei vielen anderen), vor allem in ande­ren musikalischen Bereichen.

Gegenwärtig macht es den Anschein, als sei die musikalische Thematisierung des Todes weitgehend säku­la­risiert worden, und zugleich haben sich Verflechtungen von Musik und Lebensende in allen denkbaren Genres und Stilrichtungen etab­liert, etwa in Chansons, Anti­kriegs-, Pop-, Jazz-, Blues-, Rap- und Rock­songs. Zahlreiche ein­schlägige Stücke werden durch Arran­ge­ments überdies zu Ehrungen für Ver­stor­bene und für Momente des Erinnerns ver­wendet, fer­ner gibt es politisch konnotierte Ge­dächt­nis­konzerte und natürlich auch ledig­lich subjektiv als ›trauerbedeutsam‹ ver­stan­dene Werke. Man könnte anhand dieses Spektrums bei­nahe von einem ge­nuinen musikalischen Sub­genre sprechen, bei dem aber nicht alleine Text und Form, sondern auch und gerade die Evokation der Todes­nähe das entscheidende Kri­terium ist.

Sterben, Tod und Trauer verfügen somit über spezifische musikalische Bearbeitungs- bzw. Ver­­mittlungswege. Damit steht aus soziologischer Sicht die Frage nach der kulturellen Trag­weite dieser formal abstrakten Bewältigung bzw. Inszenierung des Lebensendes im Medium der Musik im Raum. Offenkundig korrespondiert die Vielfalt der Werke mit der Pluralisierung der Trauer und mit der Fülle der gesellschaftlich kursierenden Umgangsweisen mit dem Tod. Ebenso zeigt sich, dass auch die Musikkultur des Alltags zur Bewältigung des Todes her­an­ge­zo­gen wird und die traditionellen Werke der Trauermusik an Bedeutung verlieren.

Im Kontext der Tagung sollen unterschiedliche Zugänge ins Visier rücken, die zu zeigen ver­mögen, wie Sterben, Tod und Trauer in und durch Musik auffindbar, hörbar und mithin ge­stalt­­­bar werden. Erwünscht sind Vortrags­vor­­schläge aus den Bereichen Thanatologie, Ge­schichte, Sozial-, Religions-, Medien- und Musik­­wis­senschaft sowie aus verwandten Diszi­pli­nen. Die Beiträge sollen sich entweder historisch, empi­risch oder theoretisch mit dem Schnitt­men­­gen­be­reich Tod/Musik bzw. mit angrenzenden Fragen befassen. Der Fokus soll dabei auf der Zeit nach 1945 liegen.

Die Tagung findet am Zentrum für Populäre Musik und Kultur der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät statt. Im Fall einer geringfügigen oder nebentätigen Be­schäf­ti­gung kön­nen auf An­trag Reise­kosten­zuschüsse bewilligt werden. Sollte sich das Ver­an­stal­tungs­format aus drin­gen­den Grün­den ändern müssen, wird dies rechtzeitig bekannt ge­ge­ben. Die Ver­öffent­lichung aus­gewählter Vor­träge im »Jahrbuch für Tod und Gesellschaft« (Beltz-Juventa) ist beab­sich­tigt.

Abstracts im Umfang von ca. 2.500 Zeichen können bis zum 1. Februar 2023 an folgende Adresse ein­­ge­reicht werden: tod-gesellschaft@uni-passau.de. Die Rückmel­d­ung erfolgt zeit­nah. Infor­ma­tionen zum Zentrum für Populäre Kultur und Musik finden sich unter https:// www.zpkm.uni-freiburg.de/, zum Arbeitskreis Thanatologie unter www.thanatologie.eu.