Concertare – Concerto – Concert. Das Konzert bei Telemann und seinen Zeitgenossen (Internationale wissenschaftliche Konferenz anlässlich der 23. Magdeburger Telemann-Festtage)
Magdeburg, 14.-15.03.2016
Von Maik Richter, Halle/Saale – 26.04.2016 | Das Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg hat in Kooperation mit dem Institut für Musik (Abteilung Musikwissenschaft) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Internationalen Telemann-Gesellschaft e.V. eine wissenschaftliche Konferenz veranstaltet, die den Begriff des Konzertes nicht allein aus der Perspektive einer musikalischen Gattung (Solokonzert, Gruppenkonzert) oder einer Schreibart (Konzertierendes Prinzip) beleuchtete, sondern auch das Konzertwesen in Europa im 18. Jahrhundert in seinen vielfältigen höfisch-aristokratischen wie bürgerlichen Erscheinungsformen thematisierte.
Nach dem Grußwort des Beigeordneten für Kultur, Schule und Sport der Landeshauptstadt Magdeburg, Matthias Puhle, und der Begrüßung durch den Leiter des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg, Carsten Lange, bot die erste Sektion mit dem Hauptvortrag von Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale) zur Ausprägung des konzertierenden Prinzips in Telemanns Instrumental- und Vokalwerken und dem Referat von Wolfgang Schicker (Nürnberg) zur formalen Vielfalt der norditalienischen Ritornellkonzertgestaltung eine umfassende Einführung in die Thematik. In den weiteren Sektionen des ersten Konferenztages wurden das Konzertschaffen des Darmstädter Hofkapellmeisters Christoph Graupner, über das Ursula Kramer (Mainz) aus kulturwissenschaftlicher Perspektive informierte, und die 1718 von Telemann zum Druck beförderten Six Concerts des Prinzen Johann Ernst von Sachsen-Weimar, über welche Brit Reipsch (Magdeburg) referierte, während sich Steven Zohn (Philadelphia, PA, USA) der Tafelmusiktradition seit dem Spätmittelalter bis in die Zeit Telemanns hinein annahm. Cristina Urchueguía (Bern, CH) bot einen Einblick in die noch unzureichend erforschten Musiklandschaften der Iberischen Halbinsel im Allgemeinen und das spanische Konzertwesen des 18. Jahrhunderts im Speziellen. Die letzte Sektion des ersten Konferenztages galt dem Instrumentalschaffen Telemanns: So stellte Klaus Hofmann (Göttingen) echtheitskritische Überlegungen an zu zwei Concerti da camera in g-Moll (TWV 43:g3 und g4) und zu einem Konzert in C-Dur (TWV 51:C1), während sich Kota Sato (Tokyo; Halle/Saale) mit der Musikaliensammlung der Fürsten von Bentheim-Tecklenburg in Rheda und ihren erhaltenen Katalogen aus dem Jahre 1750 beschäftigte und einen Großteil der darin enthaltenen und Telemann zugeschriebenen Werke identifizieren konnte.
Die erste Sektion des zweiten Konferenztages war gänzlich Telemann gewidmet, konkret seinem kirchenmusikalischen Schaffen: So sprach Maik Richter (Halle/Saale) über Telemanns enzyklopädisches Verständnis des Begriffs Konzert im 1716/17 und 1720 entstandenen Concerten-Jahrgang nach Erdmann Neumeister, während Nina Eichholz (Dresden) konzertierende Gestaltungsweisen im Stolbergischen Jahrgang von 1736/37 analysierte, bevor Ute Poetzsch (Magdeburg) sich einer aufführungspraktischen Fragestellung widmete, die nicht auf Telemanns Vokalwerk allein beschränkt ist, sondern auch sein Instrumentalwerk betrifft: das Phänomen der geteilten Bässe. In den weiteren Sektionen ging es hauptsächlich um das Konzertwesen in Europa im 18. Jahrhundert, wobei Martin Thrun (Leipzig) über die verschiedenen Träger des bürgerlichen Konzerts in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum informierte und Manuel Bärwald (Leipzig) Einblicke in die Leipziger Konzertszene in der Mitte des 18. Jahrhunderts bot, während sich Margret Scharrer (Saarbrücken) des Pariser Konzertlebens annahm, um sich so Telemanns Paris-Aufenthalt 1737/38 zu nähern. Einem weiteren Phänomen in der Konzertwelt des 18. Jahrhunderts war der Beitrag von Rashid-S. Pegah (Berlin) gewidmet, denn dieser gab Einblicke in die Kurmusik im Modebad Pyrmont in den Jahren 1714 bis 1719 und 1723. Dass das Konzertwesen im 18. Jahrhundert heute erforscht werden kann, verdankt sich vor allem seiner Widerspiegelung in der zeitgenössischen Publizistik. Diesem Thema nahm sich Holger Böning (Bremen) in seinem Beitrag an, in welchem er das Hauptaugenmerk vor allem auf die nicht spezifisch musikalischen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts richtete, wodurch sich für die Musikgeschichtsschreibung neue Quellen auftaten. Die Neubewertung von Quellen u.a. zur Hamburger Tradition der Buß-, Bet- und Fastentage ermöglichte Ralph-Jürgen Reipsch (Magdeburg) ein kritisches Hinterfragen des bisher angenommenen Entstehungskontextes der sogenannten Donner-Ode von Georg Philipp Telemann als angebliche Reaktion auf das Erdbeben von Lissabon im November 1755. Beschlossen wurde die Konferenz mit einem Beitrag von Andreas Waczkat (Göttingen) zur Organisation und Durchführung öffentlicher Konzerte durch den Magdeburger Musikdirektor Johann Heinrich Rolle.
Die Tagung wurde gefördert durch die Mitteldeutsche Barockmusik e.V. mit Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V. und durch die Stadtsparkasse Magdeburg. Die Beiträge der Konferenz werden als Band XXI der Reihe „Telemann-Konferenzberichte“ im Olms-Verlag veröffentlicht.