„Klänge finden und komponieren: Eine Expedition in die akusmatische Musik mit Francis Dhomont“
Köln, 30.06.-01.07.2011
Von Lisa Bradler und Sandra Jarosch, Köln – 24.01.2012 | Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Komposition und Musikwissenschaft im Dialog lud das Musikwissenschaftliche Institut der Universität zu Köln vom 30. Juni bis 1. Juli zu Podiumsgesprächen und anschließenden Abendkonzerten mit den Komponisten Francis Dhomont, Annette Vande Gorne und Hans Tutschku ein. Anlässlich des bevorstehenden 85. Geburtstages von Dhomont wurde im Sommersemester 2011 ein Seminar angeboten, das den Studierenden die Möglichkeit gab, an der Organisation und Durchführung der Konferenz maßgeblich mitzuwirken. So leiteten neben den Veranstaltern Christoph von Blumröder und Marcus Erbe auch die studentischen Teilnehmer Renate Bichert, Lisa Long, Wiebke Spieker und Philipp Willemsen die Gespräche. Zudem wurden studentische Analyseergebnisse zu ausgewählten Werken der beteiligten Komponisten präsentiert, die zuvor im Seminar Analyse elektroakustischer Musik erarbeitet worden waren.
Während des ersten Konferenztages wurden Analysen von Dhomonts Objets retrouvés und Novars diskutiert, beides Teile des Cycle du son. Gewidmet ist der Zyklus Pierre Schaeffer, dessen Werk Étude aux Objets als Ausgangspunkt diente. Dhomont zufolge sind die Einzeletappen des Zyklus nicht chronologisch angeordnet, weil sie sich klanglich immer weiter von Schaeffers Original entfernen sollen. Während im ersten Teil, Objets retrouvés, die Klänge Schaeffers noch deutlich identifiziert werden können, sei Dhomont im vierten, Phonurgie, schließlich „er selbst“. Des Weiteren wurde eines der neuesten Stücke Dhomonts, Le travail du rêve, besprochen, das durch Franz Kafkas Arbeiten inspiriert ist und künftig Teil eines größeren Werkes über den Autor werden soll. Dhomont sehe Parallelen zwischen Kafkas Schreibstil und dem Aufbau von Träumen und habe versucht, beides in Musik zu übersetzen.
Am zweiten Tag stand zuerst Dhomonts Stück Lettre de Sarajevo im Mittelpunkt, in welchem er sich mit dem Bosnienkrieg Anfang der neunziger Jahre beschäftigt. Einen ganz anderen Inhalt hat sein Werk Drôles d’oiseaux, das durch die elektronische Imitation von Vogelstimmen eine gleichsam synthetische Natur herstellt. Das Stück ist Dhomonts einzige rein elektronische Komposition, da er sonst mit dem Mikrofon aufgenommene Materialien, die ihm klanglich flexibler erscheinen, bevorzugt. Laut Annette Vande Gorne resultiert die Flexibilität akusmatischer Musik aus der kompositorischen Nutzbarmachung archetypischer Bewegungsmodelle (etwa dem Wogen einer Welle), die auf abstrakte Klänge projiziert werden können, um diese für das Ohr interessant zu machen. Hans Tutschku hingegen erscheint es wichtig, den spezifischen Eigenklang eines Objektes einzufangen und diesen zum Bestandteil der finalen Werkgestalt werden zu lassen.
Demgemäß demonstrierte Tutschku am Freitag seine persönliche Vorgehensweise bei der Materialsuche und Klangaufzeichnung. Daran anknüpfend erörterten die Komponisten den Aspekt der Klangbearbeitung in Abhängigkeit von technologischen Neuerungen sowie die Problematik der Visualisierung akusmatischer Musik. Abschließend verdeutlichte Dhomont die Bedeutung der Psychoanalyse für sein Werk Sous le regard d’un soleil noir.
Der Dialog mit den Komponisten gab allen Beteiligten am Beispiel verschiedener Stücke Aufschluss über Techniken der Klangfindung und Materialverarbeitung und vermittelte somit wesentliche Einsichten in die Kompositionsprozesse akusmatischer Musik.