Ein Mul­ti­tal­ent der Aufklärung: Karl Wil­helm Ramler (1725–1798)

Gleimhaus Halberstadt, 24.-25.02.2025

Deadline: 15.05.2024

Karl Wilhelm Ramler zählt zu den prägenden Figuren des literarischen und kulturellen Lebens im Berlin der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.[1] Zahlreich sind seine beruflichen Aufgaben und Ämter in der preußischen Hauptstadt, gattungsübergreifend und facettenreich seine künstlerischen Kollaborationen und publizistischen Projekte: Neben antikisierende Gelegenheitslyrik treten Libretti geistlicher Kantaten, weltlicher (Solo-)Kantaten und Singspiele, Theaterreden, zahlreiche Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen und Französischen, Koautor- und Herausgeberschaften von Anthologien und Werkausgaben sowie sprachwissenschaftliche Abhandlungen. Hinzukommen Entwürfe für Festdekorationen und Medaillen, Inschriften und ikonographische Kompendien zu Mythologie und Allegorie. Anlässlich seines 300. Geburtstags am 25. Februar 2025 veranstaltet das Gleimhaus Halberstadt, vertreten durch Ute Pott, gemeinsam mit Maximilian Bach (Wolfenbüttel) und Jana Kittelmann (MLU Halle-Wittenberg) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts ein Symposium, das Ramlers Wirken als wahres Multitalent der Aufklärung in den Mittelpunkt stellt.
Als Begründer der germanistischen Ramler-Forschung kann Carl Schüddekopf gelten, der seit den 1880er Jahren eine Reihe von Studien und Briefeditionen vorlegte. 1907 vermittelte er zudem die Übergabe von Ramlers Nachlass an das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Bereits in den 1920er Jahren verebbte die Forschung bis in die 1960er Jahre. Nach 1970 erschienen zahlreiche musikwissenschaftliche Studien, darunter zwei Arbeiten zur Passionskantate Der Tod Jesu (König 1972 und Lölkes 1999). Grundlegende Einblicke in die Gattungsvielfalt von Ramlers Schaffen bietet erstmals der Sammelband Urbanität als Aufklärung. Karl Wilhelm Ramler und die Kultur des 18. Jahrhunderts (2003).
In den vergangenen zwei Dekaden lassen sich drei Forschungstendenzen erkennen: Wiederholt untersucht und neu perspektiviert wurden erstens Ramlers Praktiken als Ko-Autor und Herausgeber (vgl. Ciołek-Jóźwiak 2006, Kertscher 2013, Haischer/Nowitzki 2017, Birkhold 2019, Thomalla 2020, Kampa 2021). Zunehmend in den Blick geraten ist zweitens seine Bedeutung als Spezialist für ikonographische Fragen – etwa für das Bildprogramm des Brandenburger Tors (vgl. Pöthe 2014; vgl. zudem Badstübner-Gröger 2006 und 2014). Eine eingehende diskursive und sozialhistorische Kontextualisierung seiner patriotischen und panegyrischen Gelegenheitsdichtung leisten drittens Hildebrandt 2019 und Bach 2022 (hier auch eine systematische Forschungsbibliographie). Darüber hinaus bieten die kommentierten Neueditionen von Ramlers Korrespondenzen mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim (Lee/Osborne 2023, Publikation noch nicht abgeschlossen) und Christian Felix Weiße (Lehmstedt 2022) zentrale Quellenkorpora erstmals in vollständig gedruckter Form.
Unter den Schlagworten Gesellschaften, Theater und Projekte rückt die Jubiläumstagung drei Facetten von Ramlers Wirken in den Fokus, die bisher nur in Ansätzen untersucht wurden. Bekannt sind seine 50jährige Mitgliedschaft im Montagsklub und die kurzzeitige Teilnahme an der nicht weniger berühmten Mittwochsgesellschaft. Weitere Aktivitäten – etwa Ramlers Auftritte als Vorleser und Deklamator in verschiedenen Berliner Zirkeln – und ihre Signifikanz für die aufklärerische ‚Geselligkeit‘ sind bisher hingegen kaum beleuchtet worden. Diese Beobachtung gilt ebenso für Ramlers Verbindungen zum Theater. Diese zeigen sich unter anderem im häufigen Besuch von Aufführungen in Berlin, dem – teils brieflich dokumentierten – Austausch mit Schauspieler:innen, der Beteiligung an privaten Theateraufführungen, der (Ko-)Autorschaft von Theatertexten oder der Beteiligung an der Direktion des königlichen Nationaltheaters (1787–1796). Und schließlich gilt es, Ramlers Korrespondenznetzwerk eingehender zu erschließen. Dieses erstreckt sich – weit über die preußische Hauptstadt hinaus – über den gesamten deutschen Sprachraum und bildet das zentrale Instrument für die Koordinierung überregionaler publizistischer und künstlerischer Projekte.

Abstracts im Umfang von max. 3000 Zeichen für einen 25-minütigen Vortrag sowie knappe biobibliographische Angaben können bis zum 15. Mai 2024 eingereicht werden. Die DGEJ fördert die Teilnahme von Nachwuchswissenschaftler:innen, die wir hiermit mit Nachdruck zur Einreichung von Vortragsvorschlägen auffordern möchten. Bitte senden Sie Ihren Vortragsvorschlag an alle drei Veranstalter:innen (gleimhaus.pott@halberstadt.de, bach.maximilian@web.de, jana.kittelmann@izea.uni-halle.de).

Reise-, Übernachtungs- und Aufenthaltskosten der Vortragenden werden im Rahmen des Bundesreisekostengesetzes übernommen. Eine Veröffentlichung der Beiträge in einem Sammelband ist geplant.

Literatur:

Maximilian Bach: Karl Wilhelm Ramler. Gelegenheitspanegyrik als Literatur- und Kunstpolitik, Heidelberg 2022 (Myosotis 9).
Sibylle Badstübner-Gröger: „Karl Wilhelm Ramler und die Königliche Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften. Zur Bedeutung von Ramlers Schrift ‚Allegorische Personen zum Gebrauch der Bildenden Künstler‘ für die damals zeitgenössische Kunst in Berlin“, in: Freunde und Förderer Schloß Britz e.V. (Hg.): 300 Jahre Schloß Britz. Ewald Friedrich Graf von Hertzberg und die Berliner Aufklärung, Berlin 2006, S. 71–83.
Dies.: „Zur Ikonografie der Bauplastik an den Türmen der Französischen und der Deutschen Kirche auf dem Gendarmenmarkt in Berlin“, in: Anna Schultz (Hg.): Turmbewohner. Entwurfszeichnungen von Daniel Chodowiecki und Bernhard Rode für den Gendarmenmarkt, Berlin 2014, S. 25–39.
Matthew H. Birkhold.: Characters before Copyright. The Rise and Regulation of Fan Fiction in Eighteenth-Century Germany, Oxford 2019.
Agnieszka Ciołek-Jóźwiak: „Logaus Sinngedichte in Lessings und Ramlers Bearbeitung“, in: Thomas Althaus und Sabine Seelbach (Hgg.): Salomo in Schlesien, Amsterdam 2006, S. 363–378.
Peter-Henning Haischer und Hans-Peter Nowitzki: „Verbesserungsästhetik als Editionsprinzip. Karl Wilhelm Ramlers Bearbeitung von Johann Nikolaus Götz’ Gedichten“, Zeitschrift für Germanistik 27/1 (2017), S. 87–107.
Annika Hildebrandt: Die Mobilisierung der Poesie. Literatur und Krieg um 1750, Berlin u. Boston 2019 (Studien zur deutschen Literatur 220).
Philipp Kampa: Kunst als Anverwandlung der Wirklichkeit. Charles Batteux’ Schrift Les Beaux-Arts réduits à un même principe und ihre deutschsprachige Rezeption, Halle 2021 (Wissensdiskurse im 17. und 18. Jahrhundert 8).
Hans-Joachim Kertscher: „Karl Wilhelm Ramler als Herausgeber“, in: Hans-Joachim Kertscher: „Dichters Lande“. Aufsätze zur literarischen Kultur in Mitteldeutschland im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, Hamburg 2013, S. 75–110.
Ingeborg König: Studien zum Libretto des „Tod Jesu“ von Karl Wilhelm Ramler und Karl Heinrich Graun, München 1972 (Schriften zur Musik 21).
David E. Lee und John C. Osborne (Hgg.): „mein lieber deutscher Horaz“. Der Briefwechsel zwischen Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Karl Wilhelm Ramler, Bd. 1, Heidelberg 2023 (Wieland im Kontext. Oßmannstedter Texte 1).
Herbert Lölkes: Ramlers „Der Tod Jesu“ in den Vertonungen von Graun und Telemann. Kontext – Werkgestalt – Rezeption, Kassel 1999 (Marburger Beiträge zur Musikwissenschaft 8).
Laurenz Lütteken, Ute Pott und Carsten Zelle (Hgg.): Urbanität als Aufklärung. Karl Wilhelm Ramler und die Kultur des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2003 (Schriften des Gleimhauses Halberstadt 2).
Zitha Pöthe: Perikles in Preußen. Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tores, Berlin 2014.
Erika Thomalla: Anwälte des Autors. Zur Geschichte der Herausgeberschaft im 18. und 19. Jahrhundert, Göttingen 2020.
Christian Felix Weiße: Briefe. 1755–1804 [...], hg. von Mark Lehmstedt unter Mitarbeit von Katrin Löffler, Leipzig 2022 [3 Bände].

[1] Einen ersten Überblick zu Ramlers Netzwerken bietet https://kalliope-verbund.info/graph?&q=karl%20wilhelm%20ramler&lang=de.