Händels in England entstandene Opern

Studienkurs der Stiftung Händel-Haus

Halle (Saale), 19.-21.09.2023

Von Shirley Wick (Koblenz) und Sophie Weber (Halle) – 10.11.2023 | Alle zwei Jahre ermöglicht die Stiftung Händel-Haus in Halle an der Saale Studierenden und Promovierenden der Musikwissenschaft und verwandter Fächer die Teilnahme an einem dreitägigen Studienkurs in der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Im September 2023 kamen Studierende und Promovierende aus ganz Deutschland nach Halle, um sich eingehend mit den in England entstandenen Opern Händels zu beschäftigen.

Mit Reinhard Strohm (Oxford), Matthew Gardner (Tübingen) und dem Gesangscoach Gerd Amelung (Berlin) hatte die Organisatorin des Studienkurses Juliane Riepe (Abteilungsleiterin Bibliothek/Archiv/Forschung am Händel-Haus) renommierte Dozenten für den Kurs gewonnen, die aus einer Vielzahl an Perspektiven das Thema beleuchten konnten.

In einem Seminar zur Deklamation in Händel-Arien erkundete Gerd Amelung aus aufführungspraktischer Perspektive Genese und Stil von Händels Textvertonung und forderte dazu auf, den Text einer Arie auf mögliche Kompositionsalternativen zu analysieren und diese dem Singen angenähert laut zu deklamieren.

Matthew Gardner stellte in einem öffentlichen Vortrag am ersten Abend die Bedeutung und den Einfluss der Sänger*innen auf Händels Kompositions- und Aufführungsspraxis dar und vertiefte das Thema in einem Seminar für die Studiengruppe am zweiten Kurstag, indem er insbesondere auch Hinweise für die Quellenrecherche und -auswertung gab, um eigene Forschung der Teilnehmenden zum Thema Sänger*innen zu erleichtern.

Reinhard Strohm brachte den Teilnehmenden Geschichte und Grundsatzfragen der Textkritik nahe und führte anhand von Beispielen aus eigenen Arbeiten die bei Editionen notwendigen Fragen, Überlegungen und Entscheidungen vor Augen – von der grundsätzlichen Anlage eines Stemmas bis hin zur Interpretation von Artikulationszeichen in Händel-Autografen. Nachdem sich die Teilnehmenden selbst praktisch in Methoden der Textkritik geübt hatten, schloss Strohm den Kurs ab mit einem Seminar zum Librettisten Paolo Rolli, der für Händel italienische Opern übersetzte, schrieb und für das englische Publikum adaptierte.

Einen Exkurs in barocke Raumgestaltung, Illusionskunst und die Selbstverwirklichung begüterter Adliger bot der Vortrag zur Geschichte des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth von Frank Piontek (Bayreuth).

Die drei dichten Tage boten den Teilnehmenden eine anregende Mischung aus Input in Seminaren und Vorträgen und immer wieder Möglichkeiten zum eigenen Ausprobieren und Einbringen bei kleinen Editionsaufgaben, eigenen Versuchen der Textdeklamation oder der Auswertung von Zeitungsberichten und Briefen aus dem London der Händelzeit. Dass die Teilnehmenden mit unterschiedlich viel Vorerfahrung zu Händel und zur Editionspraxis angereist waren, stellte dabei kein Problem dar. Die Gestaltung der Seminare ließ Raum für offene Fragen.

Die Studiengruppe profitierte insbesondere auch von der inhaltlichen und räumlichen Vernetzung der Stiftung Händel-Haus mit dem Museumsbetrieb, der Hallischen Händelausgabe und dem Institut für Musikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die sich alle in unmittelbarer Nähe zueinander mitten in der historischen Altstadt von Halle befinden. Karl Altenburg, Juliane Riepe und Christiane Barth führten durch das Händel-Haus und die Instrumentensammlung, wobei sie den Schwerpunkt auf Fragen und Probleme der Ausstellungsgestaltung legten und so einen Einblick in die Arbeit des Museums gaben. Annette Landgraf, Redakteurin der Hallischen Händel-Ausgabe, stellte anhand historischer Notenbände die schon zu Händels Lebzeiten einsetzende Geschichte von Händel-Ausgaben vor und erläuterte deren Prinzipien. Bei einem anschließenden Rundgang durch die Redaktion erläuterten Editor*innen technische und musikalische Details ihrer Arbeit an Kopistenhandschriften und markanten Fehlerfunden in Abschriften.

Von den Teilnehmenden bei der abschließenden Reflexion besonders positiv hervorgehoben wurde der Round Table zur Händel-Forschung, bei dem Juliane Riepe, Annette Landgraf, Reinhard Strohm, Matthew Gardner und Wolfgang Hirschmann (Halle) ihre bisherige Arbeit zu Händel vorstellten, vor allem aber Desiderata für die zukünftige Händelforschung diskutiert wurden. Die Teilnehmenden des Studienkurses schätzten auch den ehrlichen Austausch insbesondere über Schwierigkeiten der Händelforschung und gleichzeitig die ansteckende Begeisterung der Forscher*innen, die deutlich machte, wie viel Lohnendes es noch zu erforschen und edieren gilt.