126. Generalversammlung der Görres Gesellschaft – Sektion Musikwissenschaft
von Jonas Engert, Regensburg
Im Rahmen der 126. Generalversammlung der Görres Gesellschaft organisierten Klaus Pietschmann (Mainz), Katelijne Schiltz (Regensburg) und Gregor Herzfeld (Regensburg) im Namen der Sektion Musikwissenschaft eine Tagung zum Thema „SakralKlangRäume“, die am 28. September 2024 im Regensburger Alumneum stattfand. Der Synthese aus (sakralem) Klang und (sakralen) Aufführungsräumen wurde sich dabei, aus verschiedenen Blickwinkeln und in einer zeitlichen Spanne vom 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart, angenähert. In den sieben Vorträgen und Diskussionen kamen dabei neben musikhistorischen auch akustische, architektonische und kulturell-religiöse Themen zur Sprache.
Nach einigen einführenden Überlegungen von Katelijne Schiltz und Klaus Pietschmann widmete sich Tobias C. Weißmann (Mainz) der Multikulturalität in Ritus, Musik und Architektur der Cappella Palatina zu Palermo unter dem Einfluss des normannischen Königs Roger II. Er veranschaulichte die Zusammenkunft arabischer, lateinischer und griechischer Sprache mit normannischen und nordfranzösischen liturgischen Gesängen sowie italienischen Elementen der Musik in einem einzigen Sakralraum. Im Besonderen betrachtete er dabei die architektonische und künstlerische Verarbeitung der Kulturen in der Kapelle selbst. Weitere Beispiele zeigten die Normalität solcher Synthesen im Sizilien des 12. Jahrhunderts. Abschließend ging Weißmann auf seine aktuelle Forschung und damit die technischen Mittel ein, mittelalterliche Sakralbauten digital erforsch- und erfahrbar zu machen.
Mit einer Betrachtung der Abbildung von Kaiser Maximilian I. bei der Messe im Dom zu Konstanz aus der Luzerner Chronik ging Raphaela Beroun (Wien) dem Verhältnis von Nähe und Distanz während der Eucharistie nach. Dabei wurde die religiös-musikalische Praxis am Hof Maximilians im Vergleich zum liturgie- und kulturgeschichtlichen Hintergrund der Eucharistie betrachtet, wobei die Abtrennung eines heiligen Raumes durch den Lettner und die Überwindbarkeit dieser Grenze für Herrscher wie Maximilian den Ausgangspunkt bildete. Dabei nahm die Referentin eine Interpretation der Vorgänge als „Repräsentation“ und „Reenactment“, wie Volker Leppin die spätmittelalterliche Frömmigkeit beschreibt, vor.
Der anschließende Vortrag Anne Holzmüllers (Marburg) beleuchtete am Beispiel der Frauenkonvente in Bologna und Mailand sowie den venezianischen Ospedali die Praxis eines entvisualisierten Klangideals nach dem Trienter Konzil. Holzmüller stellte dabei die kirchliche Körperpolitik anstelle einer ästhetischen Motivation als Basis räumlich abgeschotteter Musiker/-innen heraus, welche auch Anlass für entsprechende architektonische Maßnahmen in den Sakralräumen war. Neben den Erläuterungen individueller kreativer Umsetzungen wurde abschließend ein Ausblick auf die mehrseitigen und gegensätzlichen ästhetischen Umwertungen des musizierenden Körpers im 18. Jahrhundert gegeben.
Peter H. Jahn (Dresden) veranschaulichte die Umbauprozesse des Dresdner Opernhauses zur, bis 1751 genutzten, Hofkirche unter dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. Neben dem Kontext der notwendigen Konvertierung zum Katholizismus durch die Übernahme der polnischen Krone, widmete sich der Referent vor allem dem Zwiespalt von Erhalt und Verlust ursprünglicher Bausubstanz während des einmaligen Umbauvorhabens. Nicht zuletzt durch den Blick auf kirchenmusikalische Vorgänge der Dresdner Hofkirche zeigte der Vortrag eine Synthese von weltlichen und sakralen Klangräumen.
Mit dem ersten Referat am Nachmittag nahm Michael Braun (Regensburg) die Teilnehmer mit auf eine Spurensuche im Gattungskontext der Kirchensinfonie. Zu Beginn stellte er fest, dass der Kirchensinfonie, trotz des hohen Vorkommnisses im 18. Jahrhundert, nur wenig Aufmerksamkeit seitens der Forschung geschenkt wurde, was bis heute zu keinem Konsens bezüglich der Einordnung als eigenständige Subgattung führte. Mit Beispielen aus Giovanni Battista Sammartinis Sinfonien wurden Überschneidungen weltlicher und sakraler Kontexte in den Sinfonien des 18. Jahrhunderts fruchtbar gemacht. Braun sprach sich dafür aus, dass die Kirchensinfonie keine klare Gattungsidentität besitze, dennoch aber explizit für den Kirchengebrauch geschriebene Sinfonien existierten.
Im anschließenden Vortrag blickte Gregor Herzfeld auf Morton Feldmans Komposition The Rothko Chapel, die das gleichnamige Bauwerk von Philip Johnson und Mark Rothko – eine konfessionell ungebundene Kapelle nahe dem Campus der katholischen University of St. Thomas in Houston, Texas – kompositorisch verarbeitet. Neben der Inspiration durch die Bilder Rothkos und Architektur Johnsons kamen dabei die, auf den achteckigen Raum ausgerichteten, klanglichen Intentionen des Komponisten zur Sprache. Anhand verschiedener, konfessionsübergreifender Symboliken präsentierte Herzfeld das Konzept der kooperierenden Künste unter den Eigenschaften Abstraktion, Erhabenheit und Emotionalität.
Mit drei Szenen burmesischen Musiktheaters wandte sich Friedlind Riedel (Salzburg) abschließend der Auffassung des Tanzens, Spielens und Singens im Theravada Buddhismus zu. Die Thematisierung des religiösen Betätigungsverbotes in den genannten Bereichen führte zu einem Exkurs in die zugrundeliegende Heiligkeitsauffassung sowie einer Grenzbetrachtung zwischen Musikmachen und ‑hören, Sakral- und Profanraum, aber auch sakralen und nicht-sakralen Klängen. Dabei wurde verdeutlicht, dass ein Verbot ausschließlich die Handlung, nicht das Kunstobjekt selbst betrifft, was schließlich in Ausführungen zur Musizieren im Theravada Buddhismus mündete.
Die Referate der Tagung zeigten gänzlich verschiedene Annäherungen an die trigonale Beziehung von Sakralität, Klang und Raum, wobei sie mehrere Jahrhunderte und religiöse Ansätze streiften. Neben den zeitlichen und religiösen Divergenzen legten die Vorträge aber auch eine oft nicht trennbare Verbindung von Malerei, Architektur, Musik und Performance offen.